Die andere Backe hinhalten

Wie oft wird die Bibelstelle mit der Ohrfeige in falschem Zusammenhang zitiert:

Matthäus 5, 38-39: Ihr habt gehört, dass gesagt ist (2. Mose 21,24): »Auge um Auge, Zahn um Zahn.« Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Bösen, sondern: Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.

Diese Bibelstelle findet ihren Missbrauch darin, wenn christliche Eltern ihren Kindern sagen, sie müssten alles mit sich machen lassen, weil Jesus das so sagt. Diese Haltung ist fatal, eine religiöse Sicht ohne tieferen Sinn. Nie verlangt Jesus von jemand, sich ohne Grund verprügeln, verletzen oder gar umbringen zu lassen. Klar, es gibt eine Ausnahme: Um des Glaubens willen.

Lukas 21,12 Aber noch bevor sich das alles ereignet, wird man euch verfolgen. Nur weil ihr zu mir gehört, werden sie euch festnehmen, in den Synagogen vor Gericht stellen und euch ins Gefängnis werfen. Ja, vor Königen und Machthabern werdet ihr verhört werden.

Natürlich verdienen Märtyrer, solche, die ihr Leben gelassen haben, weil sie Jesus folgen, Respekt und Anerkennung. Die Bibel verspricht für solche Menschen einen besonderen Lohn. Hier jedoch in der ersten Bibelstelle geht es um eine banale Ohrfeige, eine Beleidigung, die Situation, wenn Dir ein Mensch durch seine Taten oder Worte „ans Bein kickt“. Das hat meistens erst mal nichts mit unserem Glauben zu tun, sondern mit einer Charakterschwäche unseres Gegenübers.

Hier sollen wir souverän in Liebe reagieren, über der Situation stehen und wenn’s sein muss, auch noch eine weitere Ohrfeige einkassieren. Das macht manchmal wirklich Sinn, da es Menschen gibt, deren Dummheit so profane Handlungen mit sich bringt, dass es sich gar nicht lohnt, Energie in eine Gegenreaktion hineinzustecken. Würde ich als Außendienstmitarbeiter jedes Mal Anzeige erstatten, wenn mir ein Autofahrer oder eine Fahrerin beleidigend begegnet, könnte ich wöchentlich mehrmals Fahrzeugführer anklagen. Doch ich handle, wie Jesus es in unserem ersten Text vorgibt: Wer mir den Parkplatz nimmt, soll auch noch einen zweiten erhalten. Wer sich vordrängelt, kann auch bei der nächsten Schlange vorfahren. Ich werde hier nicht aggressiv, fange nicht an zu fluchen und werde schon gar nicht zuschlagen. Wir suchen nie Gewalt. Wir Kinder Gottes suchen immer Frieden!!!

Anders sieht die Situation aber aus, wenn es nicht nur um Übervorteilung, Vergeltung oder Beleidigung geht. Sobald das eigene Leben bedroht ist, haben wir eine ganz andere Verhältnismäßigkeit. Dein Leben ist ein einmaliges Geschenk Gottes. Du bist wunderbar gemacht, sagt die Bibel. Keine andere Person ist so einzigartig wie du. Ein solches Geschenk verdient es, bewahrt zu werden. Dieses Geschenk darf nicht durch willkürliche Mordlust, durch geplante teuflische Intrigen oder gezieltes Mobbing getötet werden. Die Jünger Jesu wurden genau dieser Gefahr ausgesetzt. Nach Jesu Kreuzigung startete sofort eine erbarmungslose Verfolgung der Jünger Jesu. Da der Herr dies voraussah, sagte er in Lukas Kapitel 22,36:

Da sprach er zu ihnen: Aber nun, wer einen Geldbeutel hat, der nehme ihn, desgleichen auch eine Tasche, und wer’s nicht hat, verkaufe seinen Mantel und kaufe ein Schwert.

Ich stelle immer wieder fest, dass auch bibelkundigen Christen diese Bibelstelle fremd ist. Diese passt nicht in unser religiöses „Happy Love Story“ Christentum. Tatsächlich hat Jesus selbst geraten, ein Schwert zu kaufen. Dieses sollte aber nicht zum Angriff, sondern zur Selbstverteidigung dienen. Wir kennen die Situation bei der Festnahme, als Petrus, einer der Jünger Jesu, sein Schwert nahm und einem Diener des Hohepriesters das Ohr abschnitt. Jesus wies ihn zurecht, er sollte sein Schwert wieder einstecken, und sofort heilte Jesus das Ohr des Dieners (vergl. Johannes 18,6). Nein, Jesus fordert nicht zum Angriff mit Waffen auf, doch durchaus dazu, sein eigenes Leben mit einer Waffe zu schützen.

Wenn es um Leib und Leben geht, darfst du dein Leben, das Gott dir persönlich geschenkt hat, verteidigen. Dies kann auf körperlicher, auf geistlicher oder seelischer Ebene sein. Böse Worte, die wiederholt tief in deine Seele treffen, können auf Dauer schmerzlicher sein wie ein Messerstich in den Körper. Der Oberbegriff ist hier Mobbing. Wer sich mit der Thematik auskennt, der weiß, dass Mobbingopfer oft im Suizid den Ausweg suchen. Ich selbst war schon einmal in meinem Leben suizidgefährdet. Mein logisches Denkvermögen hat mir damals aber gesagt: Es macht Gott keine Ehre, wenn ich mein Leben einfach wegwerfe, nur, weil mich Menschen ärgern, attackieren, ignorieren, etc.

Jetzt mal ehrlich, ebenso wäre es doch ein Irrsinn, zu behaupten, dass ein Mensch sich ohne Grund freiwillig niederstechen lassen muss. Eltern aufgepasst: Erzählst du deinen Kindern, dass sie alles mit sich machen lassen sollen, weil das Jesus so sagt, gibst du deinen Kids folgende Botschaft: Gott und du lieben die Feinde deiner Kinder mehr als dein Kind. Hier entsteht Irrglaube, und langfristig geht das Gottvertrauen deiner Kinder verloren.

Andererseits sollten wir unsere Kinder natürlich nicht zu Gewalttätern erziehen und sie mit Taschenmessern ausrüsten. Da würden wir in ein anderes Extrem fallen. Hier brauchen wir Weisheit von Gott.

Ich habe meinen Kindern, insbesondere meinen Mädels, folgende Regel mit in die Schule gegeben: „Wenn dich jemand an einem privaten Körperteil anfasst, dann musst du ihm das verbal verbieten. Hört das nach der dritten Verwarnung nicht auf, gehst du bitte zum Lehrer, zu einem Erwachsenen und bittest diesen um Hilfe. Ist so jemand nicht greifbar, musst du weglaufen. Ist das nicht möglich, darfst Du selbst schreien, schlagen, beißen, etc. Ich, dein Vater, werde hinter dir stehen und die Angelegenheit hernach regeln. Wenn du dich selbst verteidigst, darfst du das tun; ich bitte dich sogar, dies zu tun, aus dem einen Grund: Weil ich dich liebe, mein Schatz!“